Doch jetzt, wo ich gelernt habe, mich ohne sie über Wasser zu halten, mehr noch, selber zu schwimmen und mich tragen zu lassen, weiß ich, dass ich auch ohne sie überleben kann. Ganz ehrlich, ich fühle, dass ich auch ohne sie noch jemand bin. Ja, ich bin immer noch hier.
Lange Zeit dachte ich, dass ich ohne sie gar nicht leben könne. Ja doch, ich bin immer noch hier.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, über die Zeit, in der ich an der Essstörung festhielt und in der sie mir diente, wird mir nochmals verstärkt bewusst, dass ich nun immer mehr und mehr den Halt in mir selbst finden kann. Den Halt, der mir so lange fehlte und den ich jahrelang versuchte im Außen zu finden. Jahrelang dachte ich, dass ich diesen Halt, den ich in mir selbst nicht fand, ich im Außen finden könne. Vergeblich.
Ich hielt mich jahrelang an sämtlichen Menschen fest und konnte mich nicht von ihnen lösen. Ganz in dem Glauben, sie könnten den Teil, den ich von mir abgespaltet habe, ersetzten. Ich lief ihnen immer weiter hinterher. Damals war mir noch nicht klar, dass diese Menschen, denen ich alles gegeben hätte, um meinen Schmerz nicht fühlen zu müssen, meinen verletzten Teil auch nicht heilen konnten. So sehr ich mir das doch wünschte, es ging einfach nicht.
Vor ein paar Jahren glaubte ich noch, dass ich lediglich Menschen um mich herum bräuchte, die mich verstehen und so lieben wie ich bin, um den Schmerz in mir loszuwerden. Dem war nicht so. So leicht ist es dann leider nicht. Es war ein langer Weg – ein sehr langer sogar – um dies zu erkennen. Ich brauchte Zeit, um mir selbst einzugestehen, dass ein anderer Mensch mir diesen Schmerz nicht abnehmen kann.
Klar kann ein anderer dazu beitragen, dass du dich in seiner Anwesenheit gut fühlst. Das will ich nicht beschreiten.
Doch sobald der Mensch weg ist, ist der Schmerz wieder da und oft auch noch stärker als zuvor.
Dieser Schmerz, der immer dann da ist, wenn du alleine bist und du dich traurig und ungeliebt fühlst, will dir etwas mitteilen. Er zeigt dir auf, wo du noch nicht im Frieden mit dir bist und du liebevoll hinschauen darfst.
So vergingen Jahre, in denen ich mich an meine Essstörung, an Menschen und an Dinge im Außen hing. All das, weil ich mir nichts sehnlicher wünschte, als den ganzen Schmerz nicht fühlen zu müssen. Es verstrichen Jahre– Zeit, in der ich all das nicht wahr haben wollte. Jahre, in denen ich vermutlich unterbewusst bereits ahnte, dass ich weiterhin festhielt und ich Menschen hinterherlief, damit sie mir das geben, was ich in mir nicht finden konnte: Halt und Sicherheit.